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Schüler machen Zeitung 2014/15

Meine Kindheit in Thailand: Ein Hamburger Schüler berichtet

Vor vier Jahren begann für Naruechit aus Thailand ein neues Leben in Hamburg. Im Abendblatt schreibt der Zehntklässler von seiner Angst vor einem fremden Land und der Sehnsucht nach seiner Mutter in Deutschland.

"Nächstes Jahr im März musst du zu uns nach Deutschland kommen", sagte meine Mutter. Ich bin mir nicht so sicher, ob das eine Frage oder ein Befehl war. Aber eins weiß ich. Ich habe "Ja" geantwortet. Dieses Gefühl, wenn man weiß, dass man sein Heimatland verlassen muss – ich war verwirrt. Ich hatte Angst vor dem fremden Land.

In Thailand wurde ich geboren, in einem kleinen Dorf nahe der Grenze zwischen Kalasin und Roi-Et. Wir hatten einen kleinen Garten, in dem meine Oma Gemüse, Obst und Kräuter anbaute. Wir kauften nur das, was wir wirklich brauchten und aßen ganz einfache Speisen. Zur Familie gehörten meine Mutter, Oma, Uroma und mein Opa. Mein Vater hat mich als Kleinkind verlassen. Menschen, die ich wirklich liebte, waren nur meine Großmutter, Mutter und mein Großvater. Meine Oma war Grundschullehrerin. Sie war ziemlich streng. Als ich zur Grundschule ging, habe ich abends regelmäßig mit meiner Oma das Lesen und Schreiben geübt. Mein Opa war Beamter. Er war sportlich und für mich ein Vorbild. Ich sage zu meinem Opa immer ,,Vater'' und zu meiner Oma ,,Mutter'', weil ich mit ihnen aufgewachsen bin. Meine Mutter liebe ich sehr.

Als ich fünf Jahre alt war, hat sie als Dozentin an einer Hochschule gearbeitet. Später war sie immer unterwegs, weil sie als Assistentin für einen Politiker im Wahlkampf gearbeitet hat. Ich sah sie selten, und oft sagte ich zu mir selbst: "Du darfst nicht weinen, sie kommt bestimmt bald wieder zurück."

Ich vermisste meine Mutter so sehr. Dann machte sie sich selbstständig. Wenn sie nach Hause kam, brachte sie mir immer ganz viel Spielzeuge mit. Wie zum Beispiel Spielzeugautos und Puzzles. Meine Urgroßmutter, kam ursprünglich aus Laos. In Thailand wollte sie ein neues Leben beginnen. Als ich dann größer und sie immer älter wurde, habe ich immer auf sie aufgepasst. Ich ging immer für meine Uroma einkaufen, wenn sie etwas brauchte.

Mein Heimatdorf hat einen Tempel und eine Schule und ist recht klein, und deshalb kannte ich die meisten Leute dort. Am Wochenende gab es einen kleinen Markt. Als ich dort lebte, kam man nur über eine kleine Straße in das Dorf, drum herum waren nur Wälder. Ich hatte immer Angst, wenn ich mit dem Fahrrad durch den Wald fahren musste. Diese Straße führte zur Hauptstraße, die in die nächste Stadt zufuhr. Um das Dorf waren überall Reisfelder zu sehen, von denen wir auch einige besaßen. Hier gab es auch kleine Kanäle, die von einem Dorf zum nächsten Dorf flossen. An sehr heißen Tagen ging ich mit meinen Freunden in den Kanälen schwimmen. Ich war mit vielen Kindern in der Nachbarschaft befreundet. Wir fuhren gerne mit dem Fahrrad herum und öfter auch bis zum Nachbardorf, wo wir uns auch mit ein paar Jungen befreundeten. Am Abend saßen wir immer ganz gemütlich gemeinsam am Reisfeld und warteten auf den Sonnenuntergang.

Manchmal war richtig was los im Dorf. Vor allem, wenn gefeiert wird. Wir feierten Songkran. Das ist das traditionelle Neujahrsfest in Thailand. Es gibt auch Loi Krathong, das Lichterfest, und Bun Bang Fai, das Raketenfest. Jeder bringt sein Lächeln mit zum Fest. Wir Kinder versammelten uns immer und spielten zusammen. Meine Familie hatte nicht viel Geld, aber Luxus brauchten wir nicht. Es war so schön – wie in einem Märchen. Bis ich eines Tages ins Internat in die Stadt Kalasin 30 Kilometer von zu Hause entfernt umziehen musste. Da war ich neun Jahre alt. Ich fand da schnell neue Freunde, aber auch Feinde. Manchmal wurde ich von ein paar Jungen gemobbt. Am Ende verstanden wir uns aber ganz gut und plötzlich machte das Leben im Internat Spaß. Wir kamen gut miteinander zurecht. Dann musste ich das Internat verlassen. Es fiel mir sehr schwer, denn ich wusste, dass ich meine Freunde nicht mehr sehen würde.

Ich ging dann zwei Jahre auf eine Schule in Roi-Et. Meine Mutter war ab 2007 mit meinem Stiefvater zusammen. Sie zog nach Deutschland. Da war ich elf Jahre alt. In den Sommerferien in 2010 besuchte ich meine Mutter zusammen mit meinem Opa. ,,Nächstes Jahr im März musst du zu uns nach Deutschland kommen", sagte meine Mutter. Seit vier Jahren lebe ich nun in Hamburg. Ich würde sagen, mein Leben hat vor vier Jahren neu begonnen.

Naruechit Boonsaen, Klasse STS 10b, Private Stadtteilschule St. Georg

 

Stadtteilschule oder Gymnasium? Eine wichtige Entscheidung

Immer kurz bevor Kinder in Hamburg die Grundschule abschließen, stellt sich die Frage, welche weiterführende Schule sie besuchen sollen: Gymnasium oder Stadtteilschule? Im Unterschied zum achtstufigen Gymnasium, an dem das Abitur nach Klasse 12 abgelegt wird, sind an der neunstufigen Stadtteilschule alle Schulabschlüsse bis zum Abitur nach der 13. Klasse möglich. Meistens werden Kinder und Eltern von den Empfehlungen der Lehrer geleitet. Ich habe mich damals für das Gymnasium entschieden, weil ich wusste, dass ich Abitur machen wollte. Dies kann man zwar auch auf anderen Wegen erreichen, doch darüber war ich mir damals noch nicht im Klaren.

An Gymnasien wird auf alle Schüler extrem viel Druck ausgeübt, denn es geht darum, auf direktem Wege sein Abitur mit einem möglichst guten Durchschnitt zu bestehen. Dabei wird schon von Anfang an viel von den Schülern erwartet, obwohl nicht alle gleich schnell lernen. Man bekommt auch zu spüren, dass man im Vergleich zur Stadtteilschule ein Jahr weniger Zeit hat, das Abitur zu machen. Unterricht findet an einigen Tagen bis 16 Uhr statt, auch wenn das Gymnasium keine Ganztagsschule ist.

Doch danach hat man dann noch keine Freizeit. So gut wie immer sind noch Hausaufgaben zu erledigen.

Man hat meist keine Zeit, Hobbys nachzugehen oder seine Freunde zu treffen und das alles nur, damit man mit höchstens 18 Jahren sein Abitur in der Tasche hat und dieses möglichst so gut, dass man damit auf direktem Weg studieren kann.

Auf Stadtteilschulen hingegen kommen verschiedene Schüler auf verschiedenen Leistungsniveaus zusammen. Einige wollen vorerst nur ihren Hauptschulabschluss machen, um dann eine Ausbildung anzufangen und gleich ins Berufsleben zu starten. Andere wiederum streben einen guten Realschulabschluss oder das Abitur an. Selbst wenn man das Abitur nicht auf direktem Weg macht, kann man dies immer noch nachholen. Ich habe bemerkt, dass Stadtteilschüler einen eigenen Ehrgeiz in der Schule entwickeln. Ich habe viele Gymnasiasten kennen gelernt, deren Ehrgeiz von den Eltern herrührte. Es hört sich vielleicht besser an, wenn man nach seiner Schule gefragt wird, sagen zu können, dass man ein Gymnasium besucht. Doch jeder sollte seinen eigenen Weg finden, auch wenn ein paar Umwege enthalten sind, denn jeder Schüler lernt anders.

Fanny Rudolphs, Klasse 10a, Private STS St. Georg