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Die Hölle der Mädchen - Theaterprojekt der STS St. Georg von D. Haw

Die Hölle der Mädchen
Monodrama von Daniel Haw
Theaterpojekt der Stadtteilschule St. Georg über ein totgeschwiegenes Jugend-KZ
1943 - Jugendkonzentrationslager Uckermark. Hier sitzt, mit vielen anderen jungen Mädchen aus
Deutschland und den besetzten Gebieten Europas, Helene Weiland ein. Eine Denunziantin hat sie
bei der Gestapo angezeigt. Der Verdacht der Rassenschande genügt, um sie auf unbestimmte Zeit in
die „Hölle der Mädchen“ zu verbannen. Helene überlebt: sie ist körperlich und geistig stark, denn sie
verfügt über Optimismus und eine gesunde Portion Wut, der sie das Grauen ertragen lässt.
Um nicht den Verstand und den Glauben an eine lebensfreundliche Welt zu verlieren, beginnt sie,
Briefe an ihre beste Freundin Elli zu schreiben, wohl wissend, dass sie diese niemals wird abschicken
können. Wie einem Tagebuch, vertraut sie den Briefen, die sie unter einer losen Diele in ihrer
Baracke verbirgt, ihre Leidensgeschichte an: die Inhaftierung, die Erlebnisse im Lager und ebenso
ihre veränderte Wahrnehmung des Deutschen Vaterlandes, das sie an diesen Ort des Schreckens
verbannt hat.
Das Konzept der Mörder
Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes erhebt im Dezember
1939 erstmals die Forderung nach speziellen Lagern für Zitat: „verwahrloste Jugendliche“.
In der Sitzung des Reichsverteidigungsrates vom 01.02.1940 beklagen Minister der
unterschiedlichsten Fachgebiete, Staatssekretäre und hohe Beamte die kriegsbedingte
„Verwilderung“ der Jugend, die Zunahme jugendlichen Unfugs sowie ein Ansteigen der
Jugendkriminalität. Sie fordern Gegenmaßnahmen.
Der „Reichsführer-SS“ Himmler unterstützt die Forderung Heydrichs. Das Reichskriminalpolizeiamt
(RKPA) in Berlin wird daraufhin beauftragt, „polizeiliche Jugendschutzlager“ zu errichten.
Polizei und SS haben damit ihr angestrebtes Ziel erreicht: Sie können auffällige und missliebige
Mädchen und Jungen willkürlich inhaftieren. Die Haft wird durch bloße Verwaltungsanweisungen
des RKPA scheinbar legitimiert, ein gerichtliches Urteil als nicht notwendig erachtet. Die
Justizbehörden protestieren zunächst gegen das fehlende Mitspracherecht und erhalten nach
jahrelangen Kompetenzstreitigkeiten lediglich die Möglichkeit, Jugendliche für die Haft in Moringen
und Uckermark „vorzuschlagen“. Auch die Hitler-Jugend und die Gestapo können nun
Einweisungen veranlassen. Damit gibt sich die Justiz zufrieden. Sie ordnet sich dem Polizeistaat
unter. Der Willkür von Polizei und SS sind damit Tür und Tor geöffnet.
Die Produktion
Zum Schuljahresende 2022/23 wird eine öffentliche Aufführung in der Turnhalle unserer Schule
stattfinden, zu der Schülerinnen, Schüler, ihre Familienangehörigen sowie Freunde eingeladen
werden.

Zusatz…
Als 1999 die Universität Hamburg mit der Bitte an mich herantrat, für eine Wanderausstellung
zum Thema „Jugend-KZ Uckermark“ einen dramatischen Text zu schreiben und in Szene zu
setzen, der im Rahmen der „Wehrmachtsausstellung“ aufgeführt werden sollte, sagte ich sofort
zu. Der unheilvollen Verknüpfung von Jugend und Nationalsozialismus galt immer schon mein
historisches und rein menschliches Interesse.
Mich beschäftigten die Fragen:
1.) War die deutsche Jugend mitverantwortlich für das Gedeihen der zwölfjährigen
Schreckensherrschaft? Wessen moralischen Instrumentariums bedient man sich bei
der Beurteilung? Und vor allem: Wer verfügt über das Recht, ein Urteil zu fällen?
2.) War die Verführbarkeit der Jugend unvermeidlich? Wenn ja: Weshalb existierte dann
-teilweise- organisierter politischer Widerstand deutscher Jugendlicher?
3.) Wie entwickelte sich das Leben der verführten und verratenen Generation und wie das
ihres verfolgten, gequälten Anteils nach 1945? Wie wurde mit den Traumata
unterschiedlicher Art umgegangen? Gab es Trost seitens der deutschen Gesellschaft?
Gab es Berührungspunkte innerhalb der zerrissenen Generation?
4.) Warum hat die verführte und verratene HJ-Generation ihre Verführer und Verräter nach
1945 nicht angeklagt, zumindest so vernehmlich, dass sich die deutsche Gesellschaft mit
dieser Klage hätte auseinandersetzen müssen?
Konkrete Antworten werden wir nur von eben dieser Generation erhalten, solange sie noch lebt.
Und selbst dies bedeutet keine Garantie: Bei meiner Recherche zu „Die Hölle der Mädchen“
sprach ich mit älteren Damen, die teilweise mehrere Jahre im Jugend-KZ durchlitten hatten; die
das Ende ihrer Kindheit und ihre Pubertät in einem Fegefeuer von Lebensangst, Terror,
Zynismus, Ekel und Hoffnungslosigkeit hatten durchleben müssen.
Nicht eine von ihnen war dazu bereit oder fähig, mir Auskunft über den Höllenalltag im Lager
Uckermark zu geben! Zu groß war der Schmerz, zu groß die Scham, als dass sie der wichtigen
Aufgabe der historischen Zeugenschaft hätten nachkommen können.
Deshalb geriet die Vorbereitung meines Monodramas „Die Hölle der Mädchen“ zu einer
mühseligen Detektivarbeit, die jedoch durch das Lob jener alten Damen, die nicht über ihr
Inferno reden können, tausendfach belohnt wurde.
Daniel Haw